Philipp Gattermann
kombiniert Schreinerei mit seiner Leidenschaft für den Naturschutz.
Peter Lötscher weiss: Für einen alkoholfreien Monat braucht es Durchhaltevermögen. lin
Mehr Sport, weniger Fast Food, mit dem Rauchen aufhören – für das neue Jahr setzen sich viele neue Ziele oder Challenges. Dazu gehört auch der Dry January. Peter Lötscher von der Suchtberatung Region Wil erklärt, was der einmonatige Alkoholverzicht bewirken kann.
Wil In der Weihnachtszeit und zwischen den Jahren wird geschlemmt: hier ein Guezli, da ein Glühwein und dort ein Apéro. Gut und gerne wird an diesen Tagen etwas über die Stränge geschlagen. Das eine oder andere Glas Sekt zu viel im Dezember kompensieren manche Menschen mit dem kompletten Verzicht auf Alkohol im Januar. Peter Lötscher ist seit knapp 30 Jahren in der Suchtarbeit tätig. Er erklärt, welche positiven Effekte ein alkoholfreier Monat auf das körperliche und psychische Wohlbefinden hat.
Peter Lötscher, welche Vorteile sehen Sie in einem alkoholfreien Monat – sowohl aus körperlicher als auch aus psychischer Sicht?
Die unmittelbaren Vorteile zeigen sich in einem verbesserten Gesundheitszustand, Gewichtsverlust und einer erhöhten Schlafqualität. So geben auch sieben von zehn Personen, die beim Dry January mitgemacht haben, an, dass sie sich gesünder fühlen und mehr Energie haben.
Für wen eignet sich der Dry January? Gibt es Menschen, die darauf verzichten sollten?
Das Konzept richtet sich an Menschen mit ganz unterschiedlichem Trinkverhalten, die eine einmonatige Pause einlegen und ihren Alkoholkonsum überdenken möchten. Dry January ist jedoch nicht geeignet für Personen mit einer sehr starken Alkoholabhängigkeit. Bei diesen könnte ein abrupter Trinkstopp zu schweren Entzugserscheinungen führen. In solchen Fällen ist es wichtig, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen und einen kontrollierten Entzug unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen.
Wie kann ein alkoholfreier Monat helfen, das eigene Trinkverhalten besser zu verstehen?
Ein alkoholfreier Monat kann eine wertvolle Gelegenheit sein, das eigene Trinkverhalten zu reflektieren. Er kann ein Bewusstsein schaffen, wann, wie oft, in welchen Situationen und sozialen Interaktionen normalerweise getrunken wird. So kann Dry January eine strukturierte und bewusste Pause bieten, um das eigene Trinkverhalten zu analysieren und gegebenenfalls langfristig anzupassen.
Gibt es Anzeichen, an denen man erkennt, dass man ein problematisches Trinkverhalten hat, auch wenn man nur ab und zu trinkt?
Zum einen gibt es den AUDIT-Fragebogen (Alcohol Use Disorders Identification Test), der entwickelt wurde, um einen problematischen Alkoholkonsum zu erkennen. Hierbei werden Fragen im Zusammenhang mit Häufigkeit, Menge und Auswirkungen des Konsums gestellt und bewertet. Es gibt jedoch auch alltägliche Anzeichen, die auf ein problematisches Trinkverhalten hinweisen können. Wie beispielsweise, dass eine Person häufige Stimmungsschwankungen hat oder unzuverlässiger wird, sich vermehrt zurückzieht oder aggressiv und gereizt reagiert. Es sind dann ganz kleine Verhaltensänderungen, die meist zuerst das Umfeld aufhorchen lassen. Auch Symptome wie Zittern, Schwitzen oder Konzentrationsstörungen können auf einen risikoreichen Konsum hindeuten.
Dies ist in unserer Beratungsarbeit ein sehr wichtiges Thema. Alkohol ist ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft und es ist eine Herausforderung, in einer sozialen Situation auf Alkohol zu verzichten. Gleichzeitig ist ein Abhängigkeitssyndrom stark stigmatisiert. Es ist empfehlenswert, gleich zu Beginn seine Freunde und Familie über die Entscheidung eines Konsumstopps zu informieren. Die Unterstützung im sozialen Umfeld kann sehr hilfreich sein. Vor einem geplanten Anlass macht es sicherlich Sinn, sich im Voraus zu überlegen, wie ich auf ein Trinkangebot reagiere, und einen möglichen Satz vorbereiten, mit dem ich die Einladung ablehne.
Kann ein Monat Abstinenz auch bei Menschen mit einem problematischen Konsumverhalten zu einer nachhaltigen Veränderung führen?
Der Dry January ist für Personen mit einem (meist) moderaten Konsum konzipiert. Es geht darum, sich ohne professionelle Unterstützung oder medizinische Überwachung für den eigenen Alkoholkonsum zu sensibilisieren. Ein temporärer Verzicht kann helfen, eingeschliffene Muster zu durchbrechen und sich mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Viele Teilnehmende der Kampagne sagen anschliessend, einen bewussteren Umgang mit Alkohol gefunden oder sich gar für eine längerfristige Abstinenz entschieden zu haben. Die Entscheidung, ob noch mehr nötig ist, um eine nachhaltige Veränderung zu erzielen, ist sehr individuell.
Ab welchem Zeitpunkt sollte professionelle Hilfe in Betracht gezogen werden?
Professionelle Entzugsprogramme sind vor allem für Menschen, die eine Alkoholabhängigkeit haben und teilweise eine medizinische Überwachung, oft auch eine medikamentöse Behandlung oder eine stationäre beziehungsweise ambulante Begleitung benötigen, um mögliche körperliche wie psychische Entzugserscheinungen zu managen. Welches ist Ihr Rat an eine Person, die beim Dry January mitmacht? Ich würde dieser Person empfehlen, sich gut vorzubereiten. Da es in sozialen Situationen recht herausfordernd sein kann, auf Alkohol zu verzichten, benötigt es viel Durchhaltevermögen. Da es deshalb auch einmal einen Rückschlag geben könnte, finde ich es zentral, mit sich selber geduldig zu sein.
Von Linda Bachmann
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