Philipp Gattermann
kombiniert Schreinerei mit seiner Leidenschaft für den Naturschutz.
«Ding-Dong», dies ist der melodische Klang einer Glocke. Doch was, wenn aus melodisch schlafraubend wird? Genau dieser Frage wollte die Oberuzwilerin Marion Stäheli auf Facebook nachgehen und stiess auf Gleichgesinnte, aber auch auf Ablehnung.
Oberuzwil In der Gruppe «Du bisch vo Oberuzwil, wenn ...» auf Facebook stellte Marion Stäheli vor rund drei Wochen die Frage «Was haltet ihr vom viertelstündlichen Kirchenglockenschlag in der Nacht und dem morgendlichen Geläut um 6 Uhr?». Darauf erhielt die Oberuzwilerin gleich 111 Kommentare. Von Antworten wie «Isch doch schö, wenn mer i üsem schönä Oberuzwil kei ander Problem hend. Und zügle isch jedem freigstellt» bis zu «Unnötig, das Gebimmel i dä Nacht. Got au ohni, siehe Niederuzwil» ist alles dabei. «Die Kommentare waren fifty-fifty», erzählt Stäheli und setzt sich an den Tisch in ihrem Garten. Auffallend sei gewesen, dass sich beispielsweise Anwohner vom Freudenberg nicht am Glockenläuten störten. «Das ist doch völlig klar, mich stört es auch nicht, wenn die Kirche auf der anderen Seite des Dorfes laut ist», gibt die 52-Jährige zu bedenken.
«Als Erstes möchte ich klarstellen, dass ich nicht gegen die Kirche oder ihre Glocken bin», sagt Stäheli und muss eine Pause machen, da ihre Stimme von den Glockenklängen verschluckt wird. Es ist 16 Uhr. «Um 17 Uhr dauert das Läuten sogar eine Viertelstunde. Wenn wir Gäste zum Grillen haben, gehen wir in dieser Zeit ins Haus, da es nicht möglich ist, sich zu unterhalten», fügt die Oberuzwilerin an, nachdem die Glocken wieder verstummt sind. Das Läuten der Kirchenglocken beschäftigt die selbstständige Immobilienbewirtschafterin schon lange. Stäheli und ihr Mann wohnen mit ihren beiden Kindern seit 1997 Tür an Tür mit der katholischen Kirche St.Gallus. «Vor gut 20 Jahren habe ich in der Nachbarschaft eine Unterschriftensammlung gestartet und 300 Personen gefunden, die derselben Meinung waren wie ich», erinnert sich die Oberuzwilerin. Der Fokus bei der Unterschriftensammlung lag auf dem Läuten der Kirchenglocken zwischen 22 und 7 Uhr. Zwei der fünf Glocken im seitlich offenen Kirchturm läuten viertelstündlich zweimal und zu jeder vollen Stunde. «Das sind 234 Schläge jede Nacht», rechnet die 52-Jährige.
Auf Ihre Unterschriftensammelaktion erhielt Stäheli damals nur eine kurze Mitteilung, dass ihr Gesuch abgelehnt wurde. «Einen genauen Grund teilte mir die Kirchenverwaltung nie mit», bedauert die Oberuzwilerin. Auf Anfrage bestätigt auch Sandra Wagner, Ratsschreiberin der Gemeinde Oberuzwil: «In Rücksprache mit Gemeindepräsident Cornel Egger hatten wir wenige Beschwerden diesbezüglich, jedoch nie eine Klage. Die Beschwerden wurden dann jeweils gemeinsam mit den Kirchen beantwortet.» Dies bestätigt auch die katholische Kirche: «In Oberuzwil kommen äusserst selten Personen mit dem Wunsch nach dem Abschalten des Glockenschlags direkt auf die Kirchenverwaltung zu. Letztmals ist das vor rund vier Jahren geschehen.»
Ein Gleichgesinnter von Stäheli ist Martin Künzler. «Es ist eine Zumutung, jede Nacht dieses laute Glockenläuten zu ertragen», stimmt der Energieberater seiner Nachbarin zu. «Gerade im Sommer, wenn die Nächte aufgeheizt sind und man das Fenster geöffnet hat, ist es besonders laut», weiss die Immobilienbewirtschafterin. 75 Dezibel misst die Lautstärke im Schlafzimmer der Oberuzwilerin. Das ist in etwa der Geräuschpegel eines handelsüblichen Staubsaugers. «Stellen Sie sich also vor, jemand saugt 234-mal Staub neben Ihrem Bett», machen Künzler und Stäheli klar. Das Anliegen der beiden ist deutlich: Sie möchten, dass die Kirchenglocken von 22 Uhr bis 7 Uhr schweigen. Doch trotz 300 Unterschriften läuten die Glocken weiter. «Es ist mir ein Rätsel, weshalb die Glocken nachts nicht ausgeschaltet werden. Vielleicht hat es mit einem finanziellen Aspekt zu tun», spekuliert die Immobilienbewirtschafterin.
Geläut und Glockenschlag würden elektronisch gesteuert, was Stromkosten verursache. Der Stromverbrauch werde jedoch nicht über einen separaten Stromzähler ausgewiesen, weshalb für das Gebäude nur der gesamte Stromverbrauch bekannt sei, teilt die Kirchenverwaltung auf Anfrage mit. «Eine Neuprogrammierung des Glockenschlags würde Mehrkosten bedeuten», heisst es weiter. Das Läuten der Kirchenglocken habe einen historischen Hintergrund und sei aus einer alten Tradition begründet, als die Einwohner noch keine Zeitmesser besessen hatten, so die Kirchenverwaltung abschliessend. «Ob die Tradition irgendwann hinter die Bedürfnisse der Anwohner gestellt wird, zeigt die Zeit», sagt Stäheli und verstummt. Es ist 17 Uhr und die Glocken beginnen mit ihrem melodischen «Ding-Dong».
Von Dominique Thomi
«Die nächtliche Abschaltung der Kirchenglocken würde die Schlafqualität und das Wohlbefinden der Anwohnerinnen und Anwohner erheblich verbessern, ohne den kulturellen Wert der Glocken tagsüber zu beeinträchtigen.»
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