Claudia Keel-Graf
erklärt, mit welchen Zutaten dasThurbobräu gebraut wird.
Auch dieses Jahr bleiben im Thurgau viele Lehrstellen unbesetzt. Selbst Betriebe, welche neue Lernende ergattern konnten, sehen zunehmende Schwierigkeiten in deren Rekrutierung. Die Gründe sind vielfältig, von der Berufsbezeichnung über altersgerechte Teams bis hin zu konkurrierenden Schulen – zwei Hinterthurgauer Unternehmer erzählen.
Bettwiesen/Affeltrangen In der gesamten Schweiz blieben rund 10’000 Lehrstellen für 2024 unbesetzt. Einerseits steigen die Anforderungen an die Lernenden, was viele Jugendliche abschreckt. Andererseits verlieren einige Berufe an Attraktivität. Betroffen sind vor allem Berufe in handwerklichen und technischen Bereichen. Die «Wiler Nachrichen» haben bei der Rohr- und Anlagenbaufirma Hugo Leutenegger AG aus Bettwiesen und bei der Hossmann Holzbau AG aus Affeltrangennach möglichen Gründen gefragt.
Urs Hutter von der Hugo Leutenegger AG bestätigt die Schwierigkeiten, genügend geeignete Lernende zu finden. «Wir könnten jedes Jahr acht bis zehn Lehrlinge ausbilden, aber schaffen es gerade mal auf sechs bis sieben – und das auch nur, weil wir vermehrt Quereinsteiger oder Unentschlossene aufnehmen», erklärt er. Besonders problematisch sei die allgemeine Unbekanntheit des Berufs des Anlagen- und Apparatebauers. Die Bezeichnung sei so allgemein, dass sie für viele Jugendliche unklar bleibe. «Früher hiess der Beruf Rohrschlosser EFZ, das war greifbarer. Heute sagt die Berufsbezeichnung alles und nichts», meint Hutter. «Unser Spezialgebiet, der Rohrleitungsbau, ist noch spezifischer, was es schwer macht, genügend Nachwuchs zu finden.» So gebe es in dem Beruf im ganzen Kanton Thurgau nicht einmal mehr eine volle Klasse pro Jahrgang.
Ein weiteres Problem sieht Hutter im Bildungssystem: «Die Kandidaten, die man früher in der Real-Oberstufe abgeholt hat, fallen immer mehr weg. Früher gab es nur die technische Hochschule. Heute werden immer neue schulische Möglichkeiten geschaffen und die weiterführenden Schulen werben viel aggressiver für ihr Angebot.» Auch in den Arbeitsbedingungen sieht Hutter ein Hindernis für die Rekrutierung: «Rohrleitungen in Trinkwasserreservoirs bei eisiger Kälte zu bauen, ist für viele unattraktiv. Der Beruf ist anspruchsvoll, oft dreckig und körperlich fordernd. Lehrstellensuchende aus der Real-Oberstufe gehen heute lieber als Verkäufer in ein Kleidergeschäft und viele, die bei uns die Lehre abgeschlossen haben, verlassen den Beruf wieder.» Auch wenn das Unternehmen an wichtigen Projekten beteiligt ist – wie beispielsweise an nachhaltigen Lösungen für Trinkwasser und Klimaschutz – bleibt es schwierig, dies den Jugendlichen, ohne falsche Versprechungen, schmackhaft zu machen.
Um dennoch Interesse zu wecken, möchte die Hugo Leutenegger AG ab diesem Herbst vermehrt auf Schulbesuche und Tage der offenen Tür setzen. Hutter erläutert: «Wir wollen den Jugendlichen in der Oberstufe praktische Einblicke bieten, indem sie selbst aktiv werden können, etwa durch Werkunterricht mit Metall. Wichtig ist auch, dass wir Lehrpersonen gezielt einladen und bei der Berufsberatung aktiv auf uns aufmerksam machen.» Zudem soll die Webseite modernisiert und jugendgerecht gestaltet werden, um die jungen Leute besser anzusprechen.
Andreas Hossmann von der Hossmann Holzbau AG sieht die Lehrstellensituation in seinem Betrieb weniger kritisch. «Wir haben eigentlich keine Schwierigkeiten, Lernende zu finden», erklärt er. Für ihn ist der Beruf der Zimmerleute immer noch sehr attraktiv, da er stark mit Tradition und Stolz verbunden ist. «Zimmerleute tragen ihren Berufsstolz nach aussen, sei es durch ihre Kluft oder ihr Auftreten, und das spricht gerade auf dem Land immer noch viele Jugendliche an.» Als wichtigstes Argument beim Recruiting sieht er das Arbeitsklima im Betrieb. «Goodies oder Benefits bewegen Lernende kaum dazu, eine Lehrstelle anzunehmen. Entscheidend ist das Team, mit dem sie arbeiten», betont Hossmann. «Ein jüngeres Team kommt oft besser bei den Jugendlichen an. Wir haben eher ein älteres, erfahrenes Team. Das kann ein Vorteil sein, den ein 15-Jähriger noch nicht durchschaut. Dennoch konnten wir auch dieses Jahr einen neuen Lehrling für uns gewinnen.» Für Hossmann ist es entscheidend, dass die Lernenden gut ins Team passen und motiviert sind.
In den letzten Jahren hat sich der Rekrutierungsprozess verändert. «Früher wählten wir die Lernenden aus, heute wählen sie uns aus», bemerkt Hossmann. Er betont, dass es heutzutage entscheidend sei, dass die Chemie zwischen den Lernenden und dem Team stimme. «Wir sind, wie wir sind, und entweder passt es oder nicht. Das Persönliche ist bei uns zentral. Aber dass wir jemanden abgelehnt haben, ist schon lange nicht mehr vorgekommen.» Die Lehrstellensituation im Thurgau zeigt, dass Berufe wie der Anlagen- und Apparatebauer stark unter Imageproblemen und fehlender Bekanntheit leiden, während traditionellere Handwerksberufe wie der Zimmermann von einem klaren Berufsbild und dem Berufsstolz profitieren. Beide Betriebe unterstreichen jedoch, wie wichtig persönliche Kontakte, eine gezielte Ansprache und ein gutes Arbeitsumfeld sind, um junge Menschen für eine Lehre zu gewinnen.
jms
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